Text – TETTO FATTO

Christine Bänninger + Peti Wiskemann | Giampaolo Russo
«TETTO FATTO»
Kunstraum nano, Zürich
28. Februar – 15. März 2024

Text: Angelica Tschachtli, Kunsthistorikerin

Unter dem Motto «TETTO FATTO» – spielerisch abgeleitet von «gesagt, getan» bzw. «geDACHt, getan» – präsentieren drei Kunstschaffende aus Zürich ein gemeinsam geplantes Projekt und treten mit ihren Arbeiten im nano Raum für Kunst in einen Dialog.

Die Hausdächer, der schützende und zusammenhaltende Teil von Behausungen, stehen für die Reflexion über unsere gebaute Umwelt und sind Thema der Ausstellung.

Giampaolo Russo beobachtet seit mehr als zwei Jahrzehnten, wie in der Gegend um Castrignano de’Greci in Apulien (I), wo er aufgewachsen ist, immer mehr Häuser leerstehen, weil ihre Besitzer:innen sie verlassen, um im Norden Arbeit zu suchen. Deshalb stürzen die Dächer langsam ein; Pflanzen und Tiere übernehmen die veränderten Räume.

Die grossformatige Kohlezeichnung «Tetto, terrazza» (2019) ist eine Verdichtung von zahlreichen Studien in kleineren Formaten. Sie gibt den Blick frei auf ein Haus mit abgebrochener Antenne und hinterlässt ein Gefühl von Verletzlichkeit und Verlassenheit. Weil Russo draussen auf einer Terrasse und direkt auf dem Boden arbeitet, sind auf dem Papier Abrieb- und Farbspuren der mit Moos bewachsenen Steinplatten zu sehen. Die häufigen Überarbeitungen hinterlassen zudem Risse oder gar Löcher, wie in den kleineren Zeichnungen auf der hinteren Wand. Die prekäre Wirtschaftslage Süditaliens bildet sich damit zudem symbolisch auf dem Trägermaterial der Zeichnungen ab.

Die farbigen Pastellkreidezeichnungen sind ebenfalls in Süditalien entstanden, wo der Künstler regelmässig arbeitet. Die kleine Ölmalerei nimmt durch die dicke Farbmasse eine Objekthaftigkeit an, die das Motiv noch auf andere Weise erlebbar macht.

Die Papierinstallation «Die hängende Stadt II» von Christine Bänninger + Peti Wiskemann ist direkt auf der Wand entstanden. Aus den zerschnittenen, bemalten und mit Bostitch zusammengefügten Bauplänen eines Architekten und Fotos aus Architekturzeitschriften fügen sich (Hoch-)Häuser, Strassen, Seen, Pärke und Flüsse zu einer modellhaften Fantasiestadt zusammen, bei der nebst einem Pariser Platz, einer Jackson Street und einer Rütistrasse auch ein Stück Himmel nicht fehlt. Bei Bänninger + Wiskemann ist die gebaute Welt nicht starr und fest im Boden verankert, sondern hängt fragil in der Luft, auf alle Seiten hin offen und doch durch ein Netz von Strassen und Flüssen verbunden, das die Stadt im Gleichgewicht zu halten vermag. Bei näherem Hinschauen finden sich viele humorvolle Details, etwa die Fassade des Pirelli-Hochhauses in Mailand in der Form eines gekrümmten Vorhangs oder eine Fassade, die durch einen einzelnen Falz zum Dach mutiert.

Im Schaufenster stehen zwei Papierhäuser, deren Durchlässigkeit eine ähnliche Fragilität offenlegen wie die Zeichnungen Russos.

Die ausgestellten Arbeiten zeigen differenzierte Auseinandersetzungen mit unserer gebauten Umwelt und regen auf jeweils unterschiedliche Weise zum Nachdenken über grosse gesellschaftliche Themenkomplexe wie Lebensraum und Migration an.

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